Die Gebetsschwester

Seit 2004 arbeite ich in (Frauen-)Erotikshops. Den ganzen Tag bin ich von Vibratoren, Analtoys und Liebeskugeln umgeben. Mein Arbeitsschwerpunkt: Mit fremden Menschen über Sex zu reden. Ich höre Dinge, die sonst niemandem erzählt werden. Das ist häufig spannend oder lustig. Im Halbstundentakt bin ich wie die beste Freundin nach zwei Flaschen Wein. Manchmal ist es verwirrend, manchmal auch traurig. Bei vielen Geschichten finde ich, ich wollte sie gar nicht wissen. Krankheiten, Frust, unerfüllte Wünsche, Ängste. Was das Beste an meiner Arbeit ist? Ich lerne Toleranz.

Wenn ich alleine bin, staube ich Sextoys ab. Ständig werde ich gefragt, wie es ist, in einem Sexshop zu arbeiten. Dann antworte ich, dass es ungeheuer abwechslungsreich ist und denke an die verschiedenen Begegnungen mit all den Kunden, an die verrückten Situationen und fernsehreifen Anekdoten, nach denen ich auf jeder Party gefragt werde. Niemals würde ich Schuhe verkaufen oder Wurstbrote.

Ich mache das nun viele Jahre, Zeit für ein Resümee: Wenn im Schnitt jeden Tag vier komplett verunsicherte Frauen mit hochrotem Kopf und Schweißperlen auf der Stirn vor den Spielzeugen stehen und nach einem Anfängermodell fragen. Wenn zwei Damen täglich von ihrem Gynäkologen geschickt werden, um sich über Liebeskugeln zu informieren. Wenn nur ein Mann jeden zweiten Tag – samstags gibt es davon allerdings meist zwei bis drei – nicht locker lässt mit schmierig-schlüpfrig gelächelten Fragen nach meinen persönlichen Lieblingstoys und mir dabei möglichst auf den Schuhspitzen steht, weil nur dann Aftershave oder Mundgeruch richtig zur Geltung kommt.

Dann macht das in der Summe ungefähr 14.000 rote Köpfe, 6.000 gynäkologische Patienten, 3.250 Mal versuchter Dirty Talk von müffelnden Herren. Wenn ich die Statistik weiter denke, habe ich es auf weit über 50.000 Beratungsgespräche gebracht, ungefähr 20.000 Vibratoren verkauft, 8.500 Analtoys, 24.000 Gleitgele, 3.600 Dildos und Harnesse und circa 2.500 Porno-DVDs, ich habe um die 9.500 Geschenke verpackt, ein Drittel davon vermutlich Alibi-Päckchen, 2.000 Reklamationen bearbeitet, von denen 1.000 leider nicht hygienisch einwandfrei gereinigt waren, 20 Hausverbote erteilt und über das Ladentelefon an die 850 obszöne Anrufe erhalten.

Und all das findet Ihr auf Gebetsschwester.de: Stories aus dem Sexshop. Einblicke in die Sexbranche. Infos und Tipps rund ums Thema Sex und Erotictoys. Produktempfehlungen aus Fachhandelssicht.

Alles, was Ihr hier lest, gründet sich auf eine langjährige Erfahrung im Verkauf von Erotikartikeln. Ich bin weder Medizinerin, Wissenschaftlerin, Pornoautorin, Therapeutin, noch selbsternannte Sexologin.

Genau diese Perspektive ist in der deutschen Bloglandschaft einzigartig und gewährt Euch sicherlich viele Einblicke. Ich hoffe, hier den einen oder anderen Denkanstoß geben zu können, Vorurteile abzubauen und zu einem offenen Umgang mit dem Thema Sex anzuregen. Und vielleicht fühlt Ihr Euch sogar gut unterhalten! Danach endet die Kompetenz der Gebetsschwester. Doktoranden empfehle ich die Bibliothek und Patienten den vertrauensvollen Gang zum Arzt.

Allen anderen wünsche ich ganz viel Spaß beim Lesen! Und freue mich selbstverständlich über Kommentare, Feedback, Kritik und Themenwünsche.