Goodfuck

Frau M., der tolle Duft und: danke, Internet!

Ich mochte Frau M. nicht. Das passiert gelegentlich auch mit Stammkunden. Leider beruhte diese Antipathie aber nicht auf Gegenseitigkeit, weshalb ich relativ oft mit ihr zu tun hatte.

Frau M. war etwa 1,60m groß und ungefähr genauso breit, die meisten Menschen würden sie als tendenziell unattraktiv bis furchterregend beschreiben. Überdimensionierte Goldklunker wackelten üppig auf einem enormen Dekolleté voller Fältchen und Pigmentstörungen und der Hermes-Nachbau von Handtasche saß winzig und stramm unter ihrer Achselhöhle.

Als wäre das noch nicht genug, war Frau M. zudem laut und energisch und sie liebte mich und Pheromone.

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Pheromone? Trick 17 oder totaler Quatsch?

Also die geheimen Duftstoffe, die angeblich alles und jeden in erreichbarer Umgebung willenlos und wollüstig machen. Einfach, weil man sich ein paar Tupfen davon hinters Öhrchen gegönnt hat.

Es wäre natürlich atemberaubend, wenn derlei Duftstoffe tatsächlich funktionierten, aber rein wissenschaftlich gibt es dafür immer noch keine hinreichenden Beweise. Bis auf Frau M., die mittels Pheromonen angeblich der Männer-Magnet im Viertel war. Über mangelnde Geschlechtspartner konnte sie sich jedenfalls laut eigener Aussage nicht beschweren. Und zum Dank dafür drückte sie mich rabiat an ihre gewaltige, dekorierte Brust.

Es war eine dieser Umarmungen, die man nicht möchte. Sie fühlen sich an wie eine Mischung aus der alten Großtante, die dich wie eine reife Zitrone quetscht, ehe du von ihrer Torte essen musst. Und zu Teilen auch wie der erste Ansturm einer Berufsdomina, die dich anschließend im Hinterzimmer ans Andreaskreuz ketten möchte. Jedenfalls nichts, wovon man nachts träumt.

Frau M. kam alle paar Monate vorbei, um sich ein neues Fläschchen Pheromone zu holen. Der Männer-Magnet musste schließlich ständig nachlegen! Ein oder zwei Mal hatte sie dabei eine Freundin im Schlepptau, die sich dann auch eine Packung kaufte, in der Hoffnung um ein ähnlich ausuferndes Sexualleben.

Gewissermaßen hatte Frau M. somit Neu-Kunden rangeschafft und war fortan der Ansicht, dass sie aus genau diesem Grund bessere Preise verdient hätte. Ein guter Preis kam in ihrer Vorstellung aber nicht etwa durch ein gefälliges Abrunden oder ein paar Prozente zustande. Sie stellte sich eher eine Brachial-Reduzierung um mindestens die Hälfte vor.

Na klar.

Ein Besuch der Naturgewalt M. bedeutete also nicht nur, sich für den Umsatz von 29,- endlose  Anspielungen über Männer-Verschleiß und andere Ferkeleien anzuhören und sich zwischendrin immer wieder drücken zu lassen. Man musste auch jedes Mal in epischer Breite erklären, weshalb Frau M. ihren Einkauf überhaupt auch noch bezahlen sollte, obwohl sie ja Stammkundin und Neu-Kunden-Lieferantin war.

So war das. Frau M., die Duftstoffe, die Drücker an große Dinger, die Stories über die flachgelegte Nachbarschaft und das Zackern um Preise. Oftmals fand ich, dass das mit Frau M. vor allem einen Vorteil hatte: sie kündigte ihre Auftritte zumindest immer vorher telefonisch an. So erfuhr sie vorab, ob das Pheromon vorrätig war und ich wusste schon, worauf ich mich einzustellen hatte.

Jedenfalls bis Frau M. zum letzten Mal anrief. Damals teilte sie mir mit, dass sie ihren Lockstoff online günstiger erwerben könnte.

Für Einzelhändler ist das Internet inerster Linie geschäftsschädigend und immer wieder ein Ärgernis. Aber am Beispiel von Frau M. sieht man: Ausnahmen bestätigen die Regel. Danke, Internet!

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